Der zehnte Tag

Wieder Karl Lauterbach. Diesmal im Faktencheck der Berliner Zeitung. S. https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/faktencheck-lauterbach-ist-omikron-fuer-kinder-gefaehrlich-li.199834. Und durchgefallen. Was mich sehr bestürzt. Im Zweifel erreicht seine (nach derzeitiger Faktenlage) falsche Aussage mehr Personen als die Richtigstellung. Er selbst wird es nicht richtigstellen. Damit ist (wieder!) Angst und Panik von oberster Regierungsstelle verbreitet.

Aber heute sind wir sowieso einen Schritt weiter: Wir haben von der neuen Regierung, die als Wahlkandidaten noch eine Impfpflicht ausgeschlossen haben, ab 15. März 2022 die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Angestellte in Pflegeberufen. Mit vorläufig (!, ich hatte im Beitrag Der vierte Tag was dazu geschrieben) zugelassenen Impfstoffen. Darüber hinaus heißt dass, das sämtliche ungeimpfte Mitarbeitende ein Betretungsverbot derjenigen Arbeitsstellen, die in dem Gesetz aufgelistet sind, haben. Also auch Reinigungskräfte, Lieferanten, etc. Retrograd gerechnet müssen alle bisher Ungeimpfte aus diesem plötzlich dann durchaus weiten Bereich spätestens Anfang Februar zur Erstimpfung antreten, um den bisherig geltenden Vollschutz einer Zweifach-Impfung als Punktlandung zu erreichen. Mal schauen, wie sich die Lage in diesem Sektor und unter dem Mitbedenken der jeweiligen Wertschöpfungskette dann entwickelt. Nunja, Herr Lauterbach hat wohl ebenfalls heute (?) „Ins Gefängnis muss niemand“ geäußert. So zumindest die Headline eines Spiegel-Artikels, der heute kurz bei mir aufpoppte. Gelesen habe ich ihn nicht. Schließlich muss auch ich eine Resilienz gegen diese Entwicklung aufbringen.

Was ich gelesen habe ist der Meinungsartikel von Kai Möller, Rechtsprofessor an der London School of Economics, in der WELT von gestern, der die juristische Perspektive mit dem unverstellten Blick von außen verheiratet. S. https://www.welt.de/kultur/plus235506042/Corona-Politik-Das-Beispiel-England-spricht-gegen-die-Impfpflicht.html. Darin z.B. am Ende der Absatz: „Würde eine Impfpflicht funktionieren? Der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr sagt zumindest, dass sie in der aktuellen Situation nicht hilft, da sie zu spät kommen wird, um in diesem Winter noch etwas zu bewirken. Es kann also gut sein, dass der Vorschlag einer Impfpflicht weniger davon getrieben ist, ein Problem zu lösen, als vielmehr von Ressentiments gegenüber Ungeimpften“. Ich empfinde diese letzte Einschätzung subjektiv als sehr zutreffend: Das noch vor einem Monat von Christian Drosten konstatierte „Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften“ scheint nach Möglichkeit verdrängt und vergessen gemacht werden zu wollen. IRL geht die Angriffe so weit, dass Ungeimpfte Schuld sind, dass bei Geimpften die Impfung nicht wirkt. Zumindest war genau das der Wortlaut eines Gesprächs auf meiner Arbeit.

Fazit: Macht alles keinen Spaß – insbesondere perspektivisch. Das Ungeimpften-Mobbing wird eher zunehmen und die Rückkehr zu einer sachlicheren und rationaleren Diskussion, wie es sogar der BioNTech-Vorstandsvorsitzender Uğur Şahin fordert, wird eher unwahrscheinlich. Daneben fordert Herr Şahin allerdings bereits eine schnelle vierte Impfung. Letzteres hat für mich eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit als die Versachlichung der Diskussion. Darum muss er sich aber nicht kümmern, sowas konterkarieren schon Zahlenfälscher aus der Politik – aus welchen Gründen auch immer. Ablenkung von eigenem Fehlverhalten? Leute, besser mal einen Fehler korrigieren. Das Festhalten an falschen Strategien kostet uns alle doch viel zu viel und schlägt bei so einem komplexen Thema niemandem einen Zacken aus der Krone (lat. corona). Mich kostet es derzeit zum Beispiel das Vertrauen in das ganze Thema Corona-Impfung. Ich hätte es gern.

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